Mindeststandards in Geflüchteten-Unterkünften der Stadt Pulheim.

Antrag zur Sitzung des Ausschusses für Soziales, Generationen und Integration am 9. November 2021.

 

Sehr geehrter Herr Rekewitz,
sehr geehrter Herr Keppeler!

 

Die Unterkünfte, in denen die Verwaltung in unserer Stadt Geflüchtete unterbringt, werden als „Übergangseinrichtungen“ oder „Notunterkünfte“ bezeichnet. Mittlerweile ist es jedoch bedauerlicherweise Realität, dass viele Geflüchtete bereits seit 2015, also inzwischen sechs Jahren, in diesen Einrichtungen leben – ohne eine realistische Perspektive, in Pulheim alternativen und vor allem bezahlbaren Wohnraum zu finden. Wir gehen davon aus, dass sich an diesem Zustand in absehbarer Zeit nichts ändert, sofern nicht rasch eine größere Anzahl an Sozialwohnungen gebaut wird, wofür leider keine auch nur ansatzweise ernsthaften Bemühungen sichtbar sind.

Dieser Realität gegenüber steht der Grundsatz, dass „alle Geflüchteten Anspruch auf Schutz von Leben, Gesundheit, freie Entfaltung der Persönlichkeit und Schutz der Menschenwürde“ haben, wie es das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zu Recht betont. Dafür braucht es Mindeststandards für alle Unterkünfte. „Ziel der Mindeststandards zum Schutz von geflüchteten Menschen in Flüchtlingsunterkünften ist die Sicherstellung von Schutz und Unterstützung für alle geflüchteten Menschen in diesen Unterkünften.“

Es liegt also in der Verantwortung der Politik und der Stadtverwaltung, die Grundlage für ein menschenwürdiges Dasein zu sichern. Die SPD-Fraktion im Rat der Stadt Pulheim beantragt daher, dass in allen Wohneinheiten für Geflüchtete im Pulheimer Stadtgebiet – anlehnend an das bestehende Existenzminimum in Deutschland (Hartz-IV-Grundlagen) – mindestens folgende Ausstattungsgegenstände standardmäßig zur Verfügung stehen:

 

Ausstattung der Unterkünfte

Allgemeine Ausstattung der Gebäude
  • Abschließbare Haustüren (Schutzauftrag der Kommune!).
  • Sichere, abschließbare Wohneinheiten (Zimmertüren werden wo erforderlich durch Wohnungstüren ersetzt).
  • Abschließbare Briefkästen für alle Bewohner*innen.
  • Reinigung der Gemeinschaftsbereiche (Flur, Gemeinschaftsküchen, Gemeinschaftswasch- und Toilettenräume) nach einem Hygienekonzept.
  • Rasen- und Gartenpflege im Außenbereich.
  • Ansprechpartner*innen im Notfall.
  • Mit Vorhängen ausgestattete Fenster; Frauen und Kinder sind insbesondere zu schützen (Schutzauftrag).
  • Alle Räume verfügen über fest installierte Lampen und Rauchmelder.
  • Satelliten- / Telefonanschlüsse in den Wohnräumen.
  • Internet-Anschlüsse (WLAN) werden für alle Geflüchteten installiert und unterhalten.
Ausstattung der Küchen
  • Funktionale Küchenmöbel, inklusive ausreichender Zahl an Schränken zur Aufbewahrung.
  • Arbeits- und Abstellbereiche / Regale.
  • Spülbecken mit seitlicher Ablage.
  • Kühlschrank mit mindestens einem Gefrierfach.
  • Herd mit vier Kochplatten und Backofen.
  • Dunstabzug.
  • Wasserkocher.
  • Töpfe und Pfannen in verschiedenen Größen.
  • Kochlöffel, Messer.
  • Geschirr und Besteck, sowie Gläser und Tassen in ausreichender Anzahl.
  • Geschirrtücher.
  • Geruchsverschließbarer Abfalleimer und Entsorgungsboxen zur Mülltrennung.
Ausstattung der Schlaf- und Wohnräume
  • Eigenes Bett für jede*n Bewohner*in – inklusive Lattenrost, Matratze, Decke, Kissen und (Wechsel-)Bettwäsche.
  • Ausreichend großer Tisch mit Stühlen (Anzahl abhängig von Bewohner*innenzahl).
  • Sofa oder Sessel.
  • Verdunkelungsvorhang.
Ausstattung der Badezimmer, Wasch- und Duschräume
  • Badezimmerschrank.
  • Spiegel und Ablagefläche.
  • Feuchtigkeitsgeschützte Steckdose.
  • Verschließbarer Mülleimer.
  • Haken für Handtücher.
Ausstattung mit Hygieneartikeln
  • Waschmaschine / Trockner.
  • Staubsauger.
  • Handtücher.
  • Wäschespinne, Wäscheständer oder andere Möglichkeiten, um Wäsche – auch in den Wintermonaten – zu trocknen.
Aufbewahrungsmöglichkeiten
  • Kleiderschrank oder Kommode.
  • Regal.
Weitere technische Geräte
  • Fernsehanschluss.
  • Lampen.
  • Bügeleisen und Bügelbrett.
Zusätzliche Ausstattung für Unterkünfte, in denen Säuglinge und Kleinkinder leben
  • Baby- / Kinderbetten, inklusive Oberbetten, Kissen und Bettwäsche.
  • Kinderwagen.
  • Wickelkommode.
  • Bademöglichkeit.
  • Hochstuhl.
Zusätzliche Ausstattung für Unterkünfte, in denen Schulkinder leben
  • Schreibtisch und Schreibtischstuhl.
Gestaltung der Außenanlagen
  • Zentraler Müllplatz zur Mülltrennung; einschließlich Sammelplatz für Sperrmüll mit Umzäunung.
  • Spiel- / zentrale Freifläche und Kommunikationsplatz mit robusten (Stein-)Möbeln.
  • Außenspielflächen / Spielplätze, sofern im näheren Wohnumfeld keine bedarfsgerechten Angebote vorhanden sind.
  • Oberflächenbefestigung: Zugang zu den Häusern, Müll- und Sperrgutfläche gepflastert, sonst Rasenflächen.
  • Gute Beleuchtung und sichere Wegführung.
  • Ausreichend Parkplätze (gem. BauO NW).
  • Fahrradstellplätze.
Betreuungsgrundlagen
  • Begleitung und Unterstützung durch Sozialarbeiter*innen.
  • Kooperation mit Ehrenamtlichen und anderen Akteur*innen.
  • Vernetzung und Zusammenarbeit der verschiedenen Akteur*innen und Angebote.

 

Unterstützung der geflüchteten Menschen

  • Ankommen in der neuen Lebenssituation (Informationen über die Lebensbedingungen und Lebensgewohnheiten in Deutschland).
  • Bei der Suche nach Sprach- und/oder Integrationskursen.
  • Bei der Einschulung, Kitaplatz-Vergabe, Beteiligung an Eltern-Kind-Gruppen.
  • Bei der Organisation des täglichen Lebens (Einhalten der Hausordnung, Mülltrennung, Energiesparmöglichkeiten, Reinigung, etc.).
  • Zur Entwicklung der Eigenverantwortlichkeit.
  • Bei der Gestaltung des Zusammenlebens.
  • Bei der Erkennung, Vermeidung und/oder Bewältigung von Konfliktsituationen.
  • Bei der Suche nach einer angemessenen Wohnung.
Betreuung und Unterstützung bei Bedarf
  • Arbeitsplatzsuche.
  • Bei behördlichen Angelegenheiten (Formulare, Anträge, Bescheide, unter Umständen Begleitung bei Terminen).
  • Personelle Besetzung mit pädagogischen und sozialarbeiterischen Fachkräften durch die Kommune oder Wohlfahrtsverbände.

 

Einbeziehung von ehrenamtlichen Helfer*innen

Durch das „KOMM-AN NRW“-Programm werden Ehrenamtliche, die in den Kommunen oder Initiativen tätig sind, unterstützt. Die Gelder werden über die kommunalen Verantwortlichen an die Initiativen weitergeleitet. Auch inhaltlich ist eine gemeinsame Arbeit vorgesehen. Ehrenamtliche Helfer*innen gehören mit zum Betreuungskreis, der sich aus Kommune, Wohlfahrtsverbänden und weiteren Aktiven zusammensetzt, die bei der Unterstützung, Begleitung und Beratung der Geflüchteten tätig sind.

Regelmäßige Schulungen
  • Mitarbeiter*innen und ehrenamtlich tätige Personen sensibilisieren, schulen, einarbeiten und weiterbilden.
  • Supervisionen und / oder andere Austauschmöglichkeiten ermöglichen.
  • Bestandteil der Präventionsarbeit: Erkennen von und handeln in Gewaltsituationen (psychisch / physisch).
Beschwerdemöglichkeiten
  • Jede*r hat das Recht, sich zu beschweren und seine Meinung zu äußern.
  • Sprachliche Barrieren abbauen (Sprachmittler*innen).
  • Angst nehmen, Probleme, Schwierigkeiten und / oder Beschwerden zu äußern.
  • Unabhängige Beschwerdestelle zur Wahrung der Anonymität
  • Barrierefreier Zugang.
  • Niederschwelliges Angebot schaffen.

Weitere Begründungen für diese Mindeststandards erfolgen in der Ausschuss-Sitzung in mündlicher Form. In Erwartung einer konstruktiven Diskussion dort verbleiben wir

mit freundlichen Grüßen

 

Sylvia Fröhling
Fraktionsvorsitzende

 

Verena Szebel
Fraktionsmitglied (S.B.)

 

Weiterführende Informationen: