Plötzlich ist die Entrüstung groß im Kölner Bürgermeisterwahlkampf. Die Kandidatin der CDU, Frau Reker, spricht von einem „Beispiel für schlechten Politikstil“, einer ihrer Unterstützer wittert „Drückermethoden“, und der Kommentator einer großen Tageszeitung beklagt gar „Wählerfang unter der Gürtellinie“. Doch was in Köln ein Skandal ist, der Schlagzeilen macht, scheint für den Bürgermeisterkandidaten der Pulheimer CDU völlig normal zu sein.
Was war geschehen: Die Kölner SPD hatte in einem Flugblatt unter dem Foto ihres Kandidaten Jochen Ott eine Postkarte zum Abtrennen abgedruckt, mit der man bei der Stadt Köln die Briefwahl-Unterlagen anfordern kann.
Als Reaktion kommen starke Worte von der CDU: Da sein ein „rotes Filzknäuel“ am Werk. Die SPD betrachte die Stadtverwaltung als ihren eigenen Parteiapparat.
Da hätte die Kölner CDU besser vorher einmal über die Stadtgrenze nach Pulheim geschaut. Denn hier lässt der CDU-Bürgermeisterkandidat mit seinen Broschüren ohne alle Bedenken ebenfalls Karten in die Haushalte verteilen, die man abtrennen, ausfüllen und ins Rathaus schicken soll, um die Briefwahlunterlagen bei der Stadt anzufordern.
Der Vorsitzende der Pulheimer SPD, Michael Lingscheid, ist erstaunt über diese Doppelmoral. „Was die CDU in Köln als großen Skandal anprangert, praktiziert sie in Pulheim selbst ohne jeden Skrupel. Mehr noch! Da werden in Pulheim mit der Absenderadresse der CDU-Fraktion im Pulheimer Rathaus massenweise Werbebriefe für den CDU-Bürgermeister-Kandidaten an junge Wähler verschickt. Das lässt den Schluss zu, dass von der CDU städtische Gelder und städtisches Personal für die Partei und ihren Bürgermeister-Wahlkampf eingesetzt werden. Das verstößt aber gegen alle gesetzlichen Regelungen und ist ein klarer Fall für die Dienstaufsicht. Ironischerweise ist diese Dienstaufsicht aber in diesem Fall Herr Keppeler selbst, der den Vorgang untersuchen muss. Da bleibt die spannende Frage: Wird Herr Keppeler als amtierender Bürgermeister dem Fraktionsbüro seiner eigenen Partei kräftig auf die Finger klopfen, weil es ganz selbstverständlich Werbematerial für ihn selbst verschickt? Wir sind gespannt.“