Rede zur Verabschiedung des Haushaltes 2012

09 Timm, Dierk
Dierk Timm, Vorsitzender der SPD-Fraktion Pulheim

Sehr geehrter Herr Bürgermeister,
meine sehr geehrten Damen und Herren,

am 23. März erhält die Stadt Pulheim den Hans-Peter Karnstädt-Preis in Berlin überreicht. Die Bertelsmann-Stiftung würdigt damit jährlich die Kommune in Deutschland, die am effektivsten zukunfts- orientierte Veränderungen in den Bereichen Bildung, Demographie, Klimaschutz und Stadtentwicklung umgesetzt hat.

Und Pulheim hat diesen Preis verdient. Denn bereits vor Jahren hat der Bürgermeister zusammen mit Rat und Verwaltung begonnen, die Bildungslandschaft in Pulheim umzubauen. An beiden Schulzentren arbeiten die Gymnasien und die integrierte Schule schon seit langer Zeit eng zusammen. Ein Wechsel der Schülerinnen und Schüler in der Unter- und Mittelstufe von der einen zur anderen Schule ist alltäglich. Die Oberstufe wird sowieso zusammen betrieben. Die Schulgebäude sind in den letzten Jahren umfassend saniert und an die heutigen pädagogischen Standards angepasst worden. Die in allen Ortsteilen vorhandenen Grundschulen haben jeweils ein eigenes pädagogisches Profil herausgearbeitet. Die Übergänge von den Kindertagesstätten zur Grundschule und von den Grundschulen zu den weiterführenden Schulen sind fließend. Zum Teil bleiben ganze Klassen von der Einschulung bis Klasse 9 zusammen, wechseln in der 6. Klasse nur noch das Schulgebäude, da bestimmte Fachräume nicht überall zur Verfügung stehen.

Der Ganztag ist an allen Schulen obligatorisch. Sorge, dass Eltern keine Ganztagsplätze bekommen, braucht sich niemand zu machen.
Auch in den Kindertagesstätten wird eine Betreuung von 7 bis 19 Uhr angeboten, so dass Väter und Mütter berufstätig sein können. Die Betreuung der unter-drei-jährigen Kinder ist bedarfsdeckend ausgebaut worden. Schon früh hat sich Pulheim Gedanken über den demographischen Wandel gemacht. Die Zahl der Älteren wird immer höher. Die Zahl der Kinder und Jugendlichen geht deutlich zurück.

Damit junge Familien aus dem Umland zuziehen, hat Pulheim erfolgreich versucht seine Attraktivität zu steigern. Die Bildungslandschaft wurde vorbildlich ausgebaut. Die wachsende Mobilität wurde sichergestellt: Die Stadtwerke haben neben den Stadtbuslinien ein umfassendes Ruf-Bus-System eingeführt. Ab 2016 fuhr die neue S-Bahnlinie im 15 Minutentakt von Stommeln sowie Pulheim nach Köln und in den Wohnquartieren wurde Tempo 30 eingeführt und wird auch überwacht.

Pulheim hat früh erkannt, dass die Ausweisung von immer neuen Baulandflächen am Ortsrand mit den hohen Folgekosten für die Infrastruktur der falsche Weg ist. Stattdessen sind die Ortsränder Flächen der Erholung geworden. In Pulheim erstreckt sich der Nordpark von der Venloer Straße um den halben Ortsteil bis nach Orr. Von dort hat man über den Pulheimer See –in dem man übrigens bestens baden kann- Zugang zum 3. Kölner Grüngürtel. Fährt man diesen zum Beispiel mit dem Rad weiter nach Westen, kommt man über Freimersdorf zum Südpark von Brauweiler und weiter zur Glessener Höhe.

Wohnbauflächen sind also nicht am Ortsrand geschaffen worden sondern, in den 50er und 60er Jahren entstandene Wohngebiete sind umgewandelt und aufgewertet worden, so dass sie heutigen Ansprüchen entsprechen und auch für junge Familien attraktiv geworden sind.

Aber es wurden auch zahlreiche altengerechte Wohnungen in den Orten geschaffen, damit ältere Bürginnen und Bürger in der gewohnten Umgebung bis ins hohe Alter leben können. In Pulheim-Mitte wurde ein Demenzzentrum eröffnet. Beratung von Demenzkranken und Ihren Angehörigen ist in allen Stadtteilen möglich. Früh hat die Stadt Pulheim mit der Einrichtung einer Ehrenamtsbörse auf die Erfahrungen der Bürger zurückgegriffen. Genauso hat man die Freiwillige Feuerwehr durch Werbeaktionen gestärkt und Viele zur Mitarbeit motiviert. Firmen und die Stadtverwaltung wurden für die Belange der Feuerwehr sensibilisiert.

In Pulheim wurde das Ziel erreicht, die CO2-Emissionen von 1990 bis heute um 25 % zu reduzieren. Erhebliche Energieeinsparungen wurden durch die energetische Sanierung der städtischen Gebäude erreicht. Pulheim ist mit dem European Engergy Award (EEA) ausgezeichnet worden. Die Gemeinde Rommerskirchen hat die Auszeichnung schon 2011 erhalten. Neue Gebäude werden nur auf Passivhaus-Standard gebaut. Im Rahmen des Programms „100 Klimaschutzsiedlungen in NRW“ wurde eine solche im Pulheimer Zentralort in einer Siedlung aus den 50er Jahren errichtet. Zur Steigerung der Energieeffizienz wurden 250 Mikro-Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen in Privathäusern und öffentlichen Gebäuden installiert. Die Stadtwerke Pulheim wurden zum Motor beim Ausbau der erneuerbaren Energien. Nach einem schweren Start in Abhängigkeit vom Atomstrom-Produzenten Veolia sind die Stadtwerke jetzt komplett in kommunaler Hand. Damit konnte der Stadtrat endlich auch die Marschrichtung bei den Stadtwerken bestimmen. Nach der Übernahme der Strom- und Gasnetze wurden die Stadtwerke konsequent zum bürgerfreundlichen Rundum-Versorger, der auch den Stadtbus betreibt, ausgebaut. Investitionen in regenerative Energien waren zum Beispiel die neuen Solaranlagen unter anderem auf allen städtischen Schulen, der Bau von Blockheizkraftwerken an den Schulzentren, die Investitionen in neue Windräder und vor allem ein Projekt:

Auf dem alten Bree-Beton-Gelände ist unter Federführung der Stadtwerke und der städtischen Wirtschaftsförderung ein Energie-Cluster entstanden. Zahlreiche Unternehmen aus dem Bereich der regenerativen Energien haben sich auf dem Gelände angesiedelt und zeigen den Käufern welche unterschiedlichen Produkte angeboten werden. Dazu haben Sie ähnlich dem Fertighaus-Park in Frechen eine riesige Anzahl von unterschiedlichen umweltfreundlichen Anlagen aufgebaut.

Auch in der Stadtentwicklung hat sich in Pulheim viel getan. Brauweiler hat sich zu einem Kulturzentrum mit nationalem Ruf entwickelt. Nachdem endlich die Bebauung des Guidel-Platzes durch die Gold-Krämer-Stiftung erfolgt war, konnte die einheitliche Platzgestaltung bis zum Prälaturgebäude der Abtei die Jahrzehnte währende Trennung zwischen Abtei und Ort aufheben. Die Reduzierung des Durchgangsverkehrs durch PKW und vor allem LKW konnte durch eine Beschleunigung der Umgehungsstraßen erreicht werden. Parkplätze an den Ortseingängen können von den Besuchern der Abtei und des Schaumagazins der Stiftung Kunstfonds, das seit einigen Jahren mit Mitteln des Landes NRW, des Landschaftsverbandes Rheinland, der Stadt Pulheim und von Mäzenen ermöglicht wurde, genutzt werden. Die Besucher können aber auch den von Dansweiler über Brauweiler nach Weiden – West eingerichteten und alle 30 Minuten verkehrenden Stadtbus nutzen.

Der Bau der Westumgehung Sinnersdorf hat den Weg frei gemacht für eine Neugestaltung der Ortsmitte. Der Autoverkehr ist deutlich reduziert, die Aufenthaltsqualität verbessert und zahlreiche altengerechte Wohnungen sind in der Ortsmitte entstanden.

Stommeln genießt wie alle Pulheimerinnen und Pulheimer das jetzt endlich unter Federführung der Stadtwerke entstandene Frei- und Hallenbad. Dies ist als Passivhaus konzipiert und benötigt rund 80% weniger Energie als ein konventionell gebautes Hallenbad. Es hat die Grundideen des ersten deutschen Bades nach Passivhaus-Standard in Bamberg weiterentwickelt. Dieses war 2011 von den dortigen Stadtwerken errichtet worden.

So oder ähnlich könnte die Begründung für den Hans-Peter Karnstädt-Preis, den es in der Realität natürlich nicht gibt, im Jahr 2020 aussehen. So sähe grob beschrieben auch das Ziel der SPD-Fraktion aus. Aber um dies zu erreichen, müssten wir heute über ein gemeinsames Ziel hier im Rat unter breiter Beteiligung der Bürgerschaft diskutieren. Wir müssten hier und heute entscheiden wie dieses Ziel aussehen soll, so wie unsere Vorgänger zum Beispiel die Ortskernsanierung Pulheim oder die Entwicklung des Pulheimer See entschieden haben. Wir müssten heute einen Weg skizzieren, wie wir das Ziel erreichen können. Wir brauchen Mut zu Entscheidungen!

Aber leider gibt es beim Bürgermeister und auch bei den Fraktionen von CDU und FDP hier im Rat keine Idee, wie Pulheim in acht oder zehn Jahren aussehen soll.

Der Bürgermeister und die Ihn stützende CDU wollen aber keine Weiterentwicklung Pulheims. Sie wollen ein „Weiter so!“, was die CDU ja schon 1987 zur Bundestagswahl plakatierte. Also nichts Neues.

Sie wollen sich auch nicht mit Ideen oder Visionen auseinandersetzen. Eine inhaltliche Diskussion findet mit Ihnen leider nicht statt. Wir haben vor zwei Wochen in der Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses erlebt, wie CDU und FDP handeln:
Machtpolitisch und nicht zukunftsorientiert für diese Stadt. Sobald auf dem Briefkopf eines Antrages SPD oder Grüne steht – wird er abgelehnt.

Da hilft es auch nichts, wenn vorher im Fachausschuss e i n s t i m m i g , also auch mit Stimmen von CDU und FDP dafür gestimmt wurde. Nein, im HFA wird einfach abgelehnt. Keine inhaltliche Diskussion und erst recht keine Rücksprache mit den eigenen Kollegen, die im Schulausschuss oder im Jugendhilfeausschuss wohl gute Gründe gehabt haben, den Anträgen zuzustimmen.
So ein Verhalten hilft kurzfristig dem Machterhalt von Bürgermeister Keppeler aber langfristig wir diese Strategie scheitern.

Herr Keppeler, Herr Theisen, wo sind denn Ihre Ideen für Pulheim? Wir sehen keine!

Doch, da war vor eineinhalb Jahren mal was: Im Sommerloch tauchte die Idee einer Landesgartenschau auf. Pulheim sollte 2017 die Landesgartenschau ausrichten. Was hat sich seitdem getan? Nichts ! Der Zug ist leider abgefahren. Jetzt versucht Köln diese Chance zu nutzten.

Dabei hat eine Landesgartenschau durchaus Charme für die Weiterentwicklung einer Stadt. Nicht als „Blümchenschau rund um Haus Orr“ wie von der CDU vorgeschlagen, sondern als raumfunktionales Konzept. In einem breiten Prozess mit den Bürgerinnen und Bürgern könnte ein Konzept entwickelt werden, welche Funktionen bestimmte Flächen in der Stadt zukünftig haben sollen: Wohnen, Arbeiten, Erholung, Energie, Ernährung und so weiter. Wir könnten damit ein Gesamtkonzept für die Stadt und seiner Stadtteile schaffen. Wir könnten die Besonderheiten unserer Orte, beispielhaft das Kulturzentrum Brauweiler oder auch eine Parklandschaft vom Nordpark über Haus Orr bis zum Pulheimer See herausstellen. Wir könnten mit solch einem Projekt erhebliche finanzielle Mittel für den Städtebau nutzen. Und somit einen Nutzen für alle Stadtteile schaffen. Aber es ist nichts passiert, obwohl Herr Theisen doch vor eineinhalb Jahren angekündigt hat, „sehr schnell einen politischen Konsens erzielen“ zu wollen. (KStA 10.8.10) Nichts passiert!

Werfen wir an dieser Stelle einen Blick in die Neujahrsbotschaft des Bürgermeisters vom Wochenende. Zitat: „… mit Hilfe der Gold-Kraemer-Stiftung soll der Brauweiler Ortskern entwickelt werden.“ Der Jurist weiß, „soll“ ist nicht „muss“.

Für uns ist nicht erkennbar, dass der Bürgermeister dieses Projekt mit wirklichem Herzblut und Engagement betrieben hätte. Optimismus, so Ihre Botschaft, ist alleine nicht ausreichend. Der Bürgermeister ist erst viel zu spät aktiv geworden. Und diese Aktivität kann sich auch nicht in zwei Gesprächen erschöpfen. Herr Keppeler, ich fordere Sie auf, hier endlich zu handeln und das Projekt nach vorne zu treiben. Werden Sie aktiv und räumen Sie die Steine aus dem Weg, damit es endlich weiter geht in Brauweiler. Die Brauweiler sagen zu Recht: Nichts passiert!

Auch andere Projekte werden von Ihnen Herr Keppeler liegen gelassen. Oder gibt es Aktivitäten der Stadt, den zweiten Bauabschnitt des Künstlerarchivs in Brauweiler mit dem Schaumagazin zu vollenden? Nein, hier muss die SPD aktiv werden und alle Beteiligten an den Tisch holen. Dies wäre Ihre Aufgabe gewesen. Genauso wie es dem Rat gut angestanden hätte, die von der SPD beantragten Mittel hierfür zur Verfügung zu stellen. Trotz Ihres Desinteresses bin ich zuversichtlich, dass mit den Mitteln des Landes NRW und des Landschaftsverbandes, die weiterhin zur Verfügung stehen, sowie anderen Geldgebern –der Bund ist ja leider aus der Finanzierung ausgestiegen- schon bald zu einer Realisierung des 2. Bauabschnittes kommen wird.

Ein weiteres Projekt wo die Führung durch den Bürgermeister versagt: Der Neubau des Hallenbades ! Außer 800 T€ Planungskosten nichts gewesen. Der vom Bürgermeister ausgerufene Kompromiss vom 3. August: In Luft aufgelöst. Heute verabschieden sich auch CDU und FDP davon. Es wird jetzt ein neues Kapitel von den Mehrheitsfraktionen aufgeschlagen: PPP. Kurz: Weitere Gutachten. Heute beschließen wir über 50.000 €. Insgesamt kostet das Verfahren 350 T€, dauert drei Jahre und am Ende stellen wir fest, dass wir auch da die Risiken nicht beherrschen können. Und der Bürgermeister verweist immer nur hilflos darauf, dass er das alte Hallenbad schließen muss, wenn die Sicherheitsmängel zu groß werden. Herr Keppeler, wofür kämpfen Sie in der Hallenbadfrage? Was wollen Sie? Sie stimmen heute gegen Ihre eigene Verwaltungsvorlage.

Ich fasse zusammen:
Der Bürgermeister und auch CDU / FDP haben keine Pläne und Ideen für diese Stadt. Die in der Amtszeit von Dr. Morisse begonnenen Projekte Hallenbad, Guidelplatz, Schaumagazin gehen nicht voran. Nichts passiert. Stillstand.

Die SPD stellte Ihre Vorstellungen von einem Pulheim 2020 in insgesamt 23 Haushaltsanträgen zur Diskussion. Die Ratsmehrheit will aber gar nicht diskutieren, sondern stimmt diese einfach nieder ohne eigene Alternative. Das wir unsere Stadt ruinieren!

Jetzt kommt von Einigen natürlich das Argument: Die Projekte hören sich ja alle gut an, aber dafür haben wir ja gar kein Geld.
Das stimmt nicht!

2008: Die Finanzkrise. Im städtischen Haushalt ein Überschuss von über 5,8 Mio. €
2009: Die Wirtschaft ist stark geschwächt: Im städtischen Haushalt ein Defizit von 595 T€.
2010: Die Wirtschaft boomt: In Pulheim schließt der Haushalt mit einem Überschuss von 137 T€.

Der Kämmerer der Stadt hat uns Ratsmitgliedern aber jeweils im November der Jahre noch etwas ganz anderes in seinen sogenannten Zweiten Budgetberichten erzählt:
2008: Überschuss von immerhin 1,2 Mio. €
2009: Defizit 2,1 Mio. €
2010: Defizit 1,5 Mio. €
Da hat sich doch der Kämmerer jeweils von November bis Ende Dezember der letzten drei Jahre um insgesamt fast 7,7 Mio. € verrechnet. (exakt 7.660.254 €). Die Differenz zwischen den Haushaltsplanentwürfen und dem tatsächlichen Rechnungsergebnis ist mit über 10 Mio. € noch viel größer.

Jetzt zitiere ich aus der Kölner Rundschau vom 13.12.2011: „Die SPD misstraut den Zahlen des Haushaltsentwurfes 2012, den Kämmerer Wolfgang Thelen im Rat vorgelegt hat. Die Fraktionsvorsitzende … fordert eine gründliche Überarbeitung des Entwurfs. Außerdem kritisiert die Fraktion, dass die Jahresabschlüsse seit 2008 noch immer auf sich warten lassen.“ Oh, hoppla. Die SPD hat doch gar keine weibliche Fraktionsvorsitzende. Also noch mal lesen: Ja, da steht doch tatsächlich nicht SPD sondern FDP. Da reibt man sich als Sozialdemokrat doch ganz schön verwundert die Augen, welchen Sinneswandel die FDP vollzogen hat. Ja na, auf jeden Fall schön, dass sie sich der SPD-Position angeschlossen hat. Ich bin nur mal gespannt, ob die FDP dem Haushalt nach der „gründlichen Überarbeitung“, die Sie gefordert haben, zustimmt oder nicht.

Die SPD glaubt den Zahlen die Bürgermeister und Kämmerer vorgelegt haben, auch nicht. Hier nur zwei Beispiele, die für unser Misstrauen sorgen:

In der Rede des Bürgermeisters Keppeler zur Einbringung des Haushaltes ist von einem Defizit von 6,1 Mio. € die Rede (S. 3 des verteilten Redemanuskriptes). Zwanzig Minuten später redet der Kämmerer zum Haushalt – und siehe da, dass Defizit beträgt nur noch 4,4 Mio. € (S. 8 des verteilten Redemanuskriptes). Ich frage mich nur, was wäre passiert, wenn noch ein dritter Verwaltungsmitarbeiter geredet hätte? Wäre das Defizit dann noch mal um 1,7 Mio. € geringer ausgefallen?

Der Kämmerer hatte während seiner Rede, die allen zur Verfügung gestellt worden ist, auch Powerpoint-Folien an die Wand geworfen. Interessiert, wie die SPD-Fraktion nun einmal ist, haben wir mehrfach gebeten uns diese Folien oder einen Ausdruck davon zur Verfügung zu stellen. Trotz mehrfacher Nachfrage, trotz persönlicher Zusage von Herrn Thelen – wir haben die Folien bis heute nicht erhalten. Dies kann doch nur bedeuten, dass die dort vorgetragenen Zahlen auch einer Überprüfung nicht standhalten, oder? Auf jeden Fall kein Zeichen von Souveränität und Transparenz.

Herr Bürgermeister, Sie sprechen in Ihrer Haushaltsrede zu Recht die deutlich reduzierten Schlüsselzuweisungen des Landes nach dem Gemeindefinanzierungsgesetz (GFG) für Pulheim an. Richtig ist, dass die rot-grün geführte Landesregierung die Gesamtmittel nach dem GFG um 500 Mio. € auf insgesamt 8,4 Mrd. € erhöht hat. So viel Mittel gab es noch nie im GFG. Allerdings ist auch die Verteilungsgrundlage geändert worden. Vor allem die sozialen Lasten der Kommunen sind berücksichtigt worden. Erstmals sind die Veränderungen durch die Hartz-Gesetze eingearbeitet worden. Dies war zwingend erforderlich und ist von der Landesregierung unter Rüttgers verschlafen worden – oder auch absichtlich versäumt worden, weil die Kraft zur Reform fehlte. Dies hat die rot-grün geführte Landesregierung nachholen müssen.
Richtig ist auch, dass Pulheim weniger vom Land bekommt. Aber warum: Die Gewerbesteuereinnahmen und Einnahmen aus anderen Steuern sind deutlich gestiegen. Die sog. Steuerkraft Pulheims, hat sich um fast 4,2 Mio. € oder 9,1% im Vergleich zum Vorjahr erhöht. Die Zuweisungen vom Land incl. Investitions-, Schul- und Sportpauschale reduzieren sich um nur 500 T€ oder 8,1% verglichen mit 2011.

Aber schauen wir uns doch auch einmal die Mittel an, die die Stadt an den Kreis zahlen muss oder die sie von dort nicht bekommt:
Der Kreis hat in diesem und im letzten Jahr aus Rückzahlungen des Landes und des Landschaftsverbandes aufgrund von Gerichtsurteilen unerwartet über 23 Mio. € erhalten. Durch die Übernahme der Kosten der Grundsicherung durch den Bund –übrigens von der SPD im Rahmen der Verhandlungen zum Bildungs- und Teilhabepaket erkämpft- erhält der Kreis weitere 30 Mio. €. Insgesamt hat der Rhein-Erft-Kreis nach Abzug der Weiterleitung von 2010 einen Betrag von 43 Mio. € für die Jahre 2010-2014 zusätzlich erhalten. Da Pulheim ca. 10,6% der jährlichen Kreisumlage zahlt, sind rund 4,6 Mio. € davon „Pulheimer Geld“. Ich habe keine Initiative des Bürgermeisters gehört, damit dieses Geld auch in Pulheim landet. Das hat die SPD vermisst.

Jahr für Jahr zahlt die Stadt über die Kreisumlage ca. 3,9 Mio. € mehr, als Sozialleistungen an Bürger der Stadt zur Verfügung gestellt wurden.
Initiativen des Bürgermeisters: Auch hier Fehlanzeige. Ganz im Gegensatz zu seinem Amtsvorgänger Dr. Morisse: Dieser hat vor Jahren einen Sonderbonus für Pulheim heraus verhandelt.

Andere Städte kalkulieren mit einer um 1% niedrigeren Kreisumlage und setzten sich intensiv für eine Reduzierung der Kreisumlage ein. Der Frechener Rat z.B. hat hierzu auf Initiative der SPD auch eine Resolution an den Landrat beschlossen. Herr Bürgermeister, wo sind hier Ihre Initiativen? Wir haben keine gesehen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren,
Sie sehen, die Stadt hätte den finanziellen Spielraum, Pulheim weiter zu entwickeln und die skizzierten Themen zukunftsorientiert anzugehen.

Die SPD-Fraktion ist hierzu bereit. Wir fordern den Bürgermeister, aber auch die Fraktionen von CDU und FDF auf, hieran mitzuwirken oder eigene Vorschläge zur Diskussion zu stellen. Das CDU und FDP seit Jahren keine Anträge zum Haushalt vorlegen ist doch symptomatisch. Hier fehlt der Wille zur Veränderung. Aber ein „weiter so“ bedeutet einen Rückschritt. Die SPD steht seit fast 150 Jahren für Fortschritt. Wir lehnen den Haushalt 2012 deshalb ab.

Schließen will ich aber mit den Worten von Gotthold Ephraim Lessing:
„Der Langsamste, der sein Ziel nicht aus den Augen verliert, geht noch immer geschwinder, als jener, der ohne Ziel umherirrt.“

Sehr geehrter Herr Bürgermeister,
liebe Kolleginnen und Kollegen im Rat,
verehrte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltung,
liebe Bürgerinnen und Bürger,

ich wünsche Ihnen allen eine frohe Weihnachtszeit und einen guten Rutsch in ein gesundes Jahr 2012.

Vielen Dank.

Pulheim, den 20. Dezember 2011

Dierk Timm