Kontrovers diskutierten die Delegierten den Antrag der Pulheimer SPD, auf den Bau weiterer Kraftwerke zu verzichten.
VON JAN STING
Rhein-Erft-Kreis – Entsetzt sei er über die Botschaft aus Pulheim gewesen, erklärt Manfred Holz. Einem wie ihm, der aus der Kraftwerksbranche komme, sei die Forderung, auf den Bau von BoA vier und fünf zu verzichten und sich auf die bisherigen Blöcke zu beschränken, wie aus einem schlechten Film erschienen. Eine Zukunftsperspektive wollen Holz und seine Kollegen sehen. Daher kamen sie aus Neurath-Frimmersdorf, um am Samstag mit Trillerpfeife und Tröte vor dem Bürgerhaus in Quadrath-Ichendorf zu demonstrieren.
Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft Verdi unterstützte sie. Mehr als 500 Kumpels zogen mit Transparenten und Fahnen in den Saal. Dagegen wirkten die 126 stimmberechtigten Delegierten des Kreisparteitags schon fast verloren.
Der Antrag der Pulheimer war beherrschendes Thema, wurde anschließend aber bei wenigen Enthaltungen und 17 Ja-Stimmen mit überwältigender Mehrheit abgelehnt. Er verstehe zwar, dass sich die Pulheimer gegen weitere "Monstren" vor ihrer Haustüre wehrten, erklärte Landtagsabgeordneter Edgar Moron. Doch: "Dieser Antrag bringt uns ökonomisch und ökologisch keinen Schritt weiter."
"Wir müssen an dem Thema dranbleiben", sagte Guido van den Berg und betonte, dass ihm die Diskussionskultur in seiner Partei ausgesprochen gut gefalle.
Der Vorsitzende der Rhein-Erft SPD beharrte indes auf der Braunkohle, bezeichnete sie als "Brücke in das solare Zeitalter". Auch Landratskandidat Hans Krings fand Gefallen an der Debatte, nannte sie "herzerfrischend" und ermunterte zur Wiederholung.
Ganz so glücklich gab sich Dieter Koenemann, SPD-Mitglied aus Pulheim, nicht. Ihn ärgerte, dass Verdi den SPD-Antrag vorab als verantwortungslos gegeißelt hatte. Vor dem Plenum erklärte er nach 27 Jahren seinen Austritt aus der Gewerkschaft. Die Bundestagsabgeordnete Gabi Frechen schimpfte über die mitunter bösen E-Mails aus den eigenen Reihen, die die Pulheimer erhielten. So etwas sei der Partei nicht würdig.
Die neue Fraktionsvorsitzende der Kreistagsfraktion, Helga Kühn-Mengel, plädierte für einen Kompromiss: Die Braunkohle sei wichtig für die Versorgungssicherheit – aber dafür müsse RWE auch die Verpflichtungen einhalten und den CO-Ausstoß reduzieren. Auf Bundesebene sei die Partei klar für einen Ausstieg aus der Atomenergie, die regenerative Energie könne die Lücke noch nicht schließen.
Einstimmig beschlossen die Delegierten das Kreiswahlprogramm 2009. Krings rechnet mit harten Bandagen im Kommunalwahlkampf. "Die Ausgangslage ist nicht so, dass wir im Schlafwagen zurück an die Mehrheit kehren werden." Zielgruppe sei auch der Mittelstand, den die Sozialdemokraten wieder stark machen wollten. Der Kreis müsse Ausschreibungen an den Belangen der heimischen Wirtschaft ausrichten. Zudem will die SPD den Kreis als Chemiestandort stärken. Widerstand kündigt die Partei gegen Billiglöhne an und fordert mehr Chancengleichheit in der Bildung. Im Kreis solle eine Fachhochschule mit Schwerpunkt Ingenieurwissenschaften angesiedelt werden. An Stelle der Arge (Arbeitsgemeinschaft von Kommunen und Agentur für Arbeit, die sich um Arbeitslose kümmert) fordert die SPD den Aufbau von Jobcentern, die ortsnah in den Kommunen verwurzelt sind und individuelle Hilfen für die Arbeitssuchenden bieten. Jungen Menschen, die nach dem ersten Start in das Erwerbsleben gescheitert sind, sollen Angebote in der Aus- und Weiterbildung gemacht werden.
Die Regionale 2010 soll genutzt werden, um Chemtech in Wesseling oder Projekte zur Förderung der Wasserstoffwirtschaft in Hürth zu stärken sowie das Projekt Terra Nova bei Bedburg, Bergheim und Elsdorf, das auf die Entwicklung erneuerbarer Energien setzt. Haus- und Wohnungseignern will die SPD Impulse zum Energiesparen geben, die Gebäudesanierung vorantreiben.