Stiefkinder beim Einkaufen

Pulheim-Geyen – In rasantem Tempo hat sich Geyen entwickelt. Das wissen Edith Bretschneider (58) und Katharina Esser (68) sehr genau. Die beiden Frauen haben sich ganz zufällig in der überschaubaren Ortsmitte getroffen, die eine auf dem Weg zur Bäckerei Ommer, die andere auf dem Sprung in die Apotheke. Nun sind sie in lebhafte Unterhaltung verstrickt.

„Früher gab es überall Bäume. Die Straßen waren noch nicht asphaltiert. Die Dorfjugend spielte auf der Hauptstraße (heute Von-Frentz-Straße, d. Red.) Federball", erinnert sich Edith Bretschneider, die im Ort aufgewachsen ist. Das Schwelgen in der Erinnerung amüsiert die beiden Frauen ganz offensichtlich. Mit einem Mal sind sie da, die Bilder der Vergangenheit. Plötzlich hat Edith Bretschneider ein Foto ihres schon betagten Großvaters vor Augen, das ihn als gestandenen Schützen hoch zu Ross zeigt. „Was war hier los, wenn früher Schützenfest war", staunen die beiden Frauen. Das ganze Dorf sei auf den Beinen gewesen. „Wenn Frühschoppen war, dann ging man anschließend zu den Nachbarn", sagt Katharina Esser, die seit 1952 in Geyen lebt.

„Abends tote Hose"

Dass sich beide Frauen auch nach Jahrzehnten noch wohlfühlen im Ort, weil die Atmosphäre stimmt, weil es gemütlich und ländlich ist und weil sie jede Menge Geyener kennen, das ist keine Frage. Doch das ein oder andere Haar in der Suppe machen sie schon aus. „In Sachen Einkaufen sind wir ein bisschen arm", sagt Katharina Esser. Vor allem ein Eiscafé vermissen die Frauen, das den Ort abends ein bisschen beleben würde. Esser: „Abends ist hier tote Hose."

Regelrecht gestört fühlen sich die Frauen durch die vielen Autos auf der Von-Frentz-Straße. Dort wohnen sie beide. „Sie ist unheimlich belastet. Über die Straße zu kommen ist irrsinnig schwer. Wenn man die Fenster öffnet, die zur Straße hinausgehen, dann ist der Lärm sehr unangenehm", ärgert sich Katharina Esser und zeigt auf die Straße, wo ein Auto dem anderen folgt.

Mit einem Schlag ruhig ist es an der Von-Harff-Straße, die nicht weit von der Hauptstraße entfernt ist. Dort macht Christa Rosocha einen Spaziergang mit ihrer zweieinhalb Jahre alten Enkelin Carla. „Es lebt sich eigentlich gut in Geyen. Die Nachbarschaft stimmt", erzählt die 63 Jahre alte Frau, die es vor zwölf Jahren von Sinthern nach Geyen verschlagen hat. Die Wohngegend in der Nähe der Kirche St. Cornelius sei ruhig, die Gefahr, dass dort große Wohnblocks hingesetzt werden, bestehe nicht. Rosocha: „Das ist ein großer Vorteil."

Rege Dorfgemeinschaft

Sehr angenehm sei auch das Umfeld: „Wenn man abends rausgeht, dann trifft man immer Bekannte", sagt Christa Rosocha. Auch das Leben im Dorf mit den verschiedenen Festen findet die gebürtige Bielefelderin ausgesprochen positiv. „Die Dorfgemeinschaft ist sehr rege. Wir hatten hier kürzlich ein Fest", erinnert sich die Frau. Auch die Fußballer, die Schützen und die Feuerwehr seien aktiv. „Gibt es Feste, dann haben wir sie direkt vor der Tür, also mitten im Ort."

Die Ruhe, vor allem aber ein bezahlbares Häuschen, haben den gebürtigen Pulheimer Dietmar Graf (40) und seine Familie vor zwei Jahren nach Geyen gelockt. „Das war der Mega-Umzug", amüsiert sich der Familienvater, der gerade seine viereinhalbjährige Tochter Sarah vom Kindergarten abholt. Dass es schön ruhig ist, ja manchmal fast schon zu ruhig ist am Ortsausgang in Richtung Manstedten, das gefällt Graf. Schließlich hat er vorher an der Venloer Straße in Pulheim gewohnt, in der Nähe des Lebensmitteldiscounters Plus. Nicht ganz so gut sind die Noten, die der junge Mann für die Infrastruktur vergibt. „Einkaufsmöglichkeiten gibt es kaum. Man muss immer nach Pulheim fahren. Er wundere sich, wie ältere Menschen mit dieser Situation zurechtkommen. Ansonsten fühlt sich Graf „sehr wohl". Durch die Kontakte, die der Kindergarten mit sich bringe, baue er sich auch in Geyen einen Bekanntenkreis auf. „Hier ist immer was los."

Sehr gerne in Geyen wohnt auch Claudia Eisenreich, Grafs Nachbarin, die sich mit Sohn Julius (vier) auf den Heimweg vom Kindergarten macht. „Ich bin der ländliche Typ, ich mag es, wenn Felder, Grün und Wald in der Nähe sind", sagt die 38-Jährige, die in Sinthern aufgewachsen ist und vor dem Umzug in das Eigenheim nach Geyen in Köln-Esch gewohnt hat. Sehr schätzt sie das fast schon familiäre Verhältnis, das die Eltern verbindet, deren Kinder den katholischen Kindergarten besuchen. Dort engagiert sich die Mutter von drei Kindern im Elternrat. Auch in der öffentlichen Bücherei arbeitet sie. „Das war das Erste, was ich gemacht habe, als wir hierher gezogen sind", erinnert sich Claudia Eisenreich. Die Arbeit mache ihr ungemein Spaß. „Ich bekomme so viele Kontakte, wenn ich hinter dem Tresen sitze." Nicht zu vergessen, auch in der Kirchengemeinde ist sie aktiv. „Seit es den Pfarrverband gibt, hat sich hier viel getan, auch für die kleinen Kinder." Auch der Kindergarten sei sehr rührig, etwa bei Pfarrfesten, aber auch bei anderen öffentlichen Festen. Einen Wermutstropfen allerdings gibt es für Claudia Eisenreich: „Wir bräuchten mehr Infrastruktur. Eine Postfiliale ist zum Glück wieder da, aber ein Supermarkt fehlt."

Viele kleine Bauern

Ein Liedchen davon singen, was sich alles in Geyen verändert hat, kann Gerd Lambertz. Der heute 65-Jährige, der im Ort groß geworden und hängen geblieben ist, kann sich an eine Fülle von Details erinnern. An die Fahrten mit dem Postbus von Pulheim nach Köln beispielsweise, wo er in Deutz eine Lehre zum Betriebsschlosser bei Felten-Guilleaume gemacht hat. Da es keine Busse gab, fuhr er mit dem Rad nach Pulheim und stellte es dort ab.

Auch die Namen der vielen kleinen Bauern, die so typisch waren für Geyen, hat er nicht vergessen. Die Hamachers sind so ein Fall. „Die hatten kleine Pferde. Darum hat man gesagt »ich geh‘ zu Pferdches« und nicht »ich geh‘ zu den Hamachers, heute Wohlfahrt« erzählt der Geyener. Auch an die Abels erinnert sich Lambertz. „Auf den Wiesen von Abels haben wir früher Äpfel stibitzt", sagt er mit einem Schmunzeln und zeigt auf eine unbebaute Fläche gegenüber vom Jakob-Pohl-Platz.

Weniger Feste

Fünf bis sechs Kühe hätten im Stall gestanden. Später seien viele Bauern auf Schweinezucht umgestiegen. Lambertz: „Doch in den 70-er Jahren ist die Zahl der Bauern rapide zurückgegangen. Es hat sich viel geändert." Früher habe es an jeder Ecke einen Bauernhof gegeben, heute fielen ihm nur noch die Höfe Schumacher, Becker und Decker ein.

Doch auch wenn sich der Ort verändert hat, immer weiter gewachsen ist und die Zahl der Feste zurückgegangen ist, Lambertz ist seiner Heimat treu: „Ich bin zufrieden. Es hat für mich keinen Grund gegeben, von Geyen wegzugehen."