Privater Strom

Das Nebeneinander von öffentlichen und privaten Versorgern hat in Deutschland Tradition. Die von der EU im Jahr 1996 angekündigte Liberalisierung brachte Bewegung in den Markt. Heute ist nur noch knapp die
Hälfte der 696 strom− und gasversorgenden Mitgliedsunternehmen vollständig in kommunalem Besitz.
Von Cerstin Gammelin

Dass auf Knopfdruck immer genügend Strom und Gas vorhanden sind, gilt in den Industriestaaten als
selbstverständlich. Die Abhängigkeit von der Energieversorgung macht allerdings deren Preis zu einem wunden Punkt. Ob kommunale oder private Versorger preiswerter Strom liefern, ist wegen der vielfältigen Beteiligungen und Verflechtungen nicht auszumachen. Den deutschen Markt dominieren heute vier große Konzerne, die kräftige Gewinne verbuchen, während die Zahl der kleineren privatwirtschaftlichen und der kommunalen Konkurrenten schrumpft. Insgesamt gibt es immer noch rund 750 Stromerzeuger und Netzbetreiber.
Das Nebeneinander von öffentlichen und privaten Versorgern hat in Deutschland Tradition. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts besaßen zwar noch die städtischen Gasanstalten das Monopol am Geschäft mit öffentlichem Licht. Als aber Thomas Alva Edison die Glühbirne erfand, sicherte sich der
Maschinenbauingenieur Emil Rathenau die Nutzungsrechte. Er gründete die Deutsche Edison−Gesellschaft für angewandte Elektrizität (DEG), die 1884 in Berlin die Konzession zur Stromversorgung erhielt. 1885 nahmen die inzwischen gegründeten Städtischen Elektrizitätswerke das erste Kraftwerk Deutschlands nahe des heutigen Gendarmenmarktes in Betrieb. Nur ein Drittel aller Elektrizitätswerke wurde zu Beginn des Ersten Weltkriegs von Gemeinden betrieben, knapp zehn Prozent von Einzelpersonen, die übrigen von
Kapitalgesellschaften. In der frühen Weimarer Republik wurde die Bedeutung der Elektrizität immer
offenkundiger und die Versorgung deshalb weitgehend verstaatlicht. 1929 kontrollierte die öffentliche
Hand bereits fast 80 Prozent der Stromversorgung. Reichs− und Landesunternehmen dominierten die
Erzeugung. Kommunale Unternehmen verteilten den Strom meist nur.

Bereits damals steckten das gemischtwirtschaftliche Rheinisch−Westfälische Elektrizitätswerk RWE, die
staatliche PreussenElektra und die reichseigenen Elektrowerke ihre Versorgungsgebiete durch
Demarkationslinien ab. Hinzu kamen Verträge mit den Vereinigten Elektrizitätswerken Westfalen (VEW) und
verschiedenen Landesversorgern. Erst die von der EU im Jahr 1996 angekündigte Liberalisierung der
nationalen Energiemärkte brachte Bewegung in die Eigentümerstrukturen. Statt den bis dato acht
überregionalen Versorgern gibt es heute nur noch vier marktbeherrschende Konzerne: RWE, e.on, Vattenfall Europe und EnBW. Bei den Kommunen begann mit der Liberalisierung "die Angst vor dem großen Sterben der Stadtwerke zu grassieren", sagt Michael Wübbels, Vizechef des Verbandes kommunaler Unternehmen (VKU). Viele holten große Versorger ins Boot. Nicht immer mit Erfolg. So kauften zum Beispiel Leipzig, Braunschweig und Kiel ihre Stadtwerke nach erfolgter Privatisierung wieder zurück.

Allein RWE und e.on erstanden bis zum Veto des Kartellamtes im Jahr 2005 Anteile an mehr als 210
regionalen Versorgern und Stadtwerken. Nur knapp die Hälfte der 696 strom− und gasversorgenden
Mitgliedsunternehmen sind laut VKU−Statistik heute noch vollständig in kommunalem Besitz. 44 Stadtwerke
verkauften bis zu 25 Prozent ihrer Anteile an private Unternehmen, 196 bis zu 50 Prozent und etwa 140 mehr als die Hälfte. Die Verflechtungen sichern den großen Energieversorgern den Absatz von Strom und Gas. e.on und RWE dominieren mehr als 60 Prozent der hiesigen Kraftwerkskapazitäten. Die beiden kleineren Wettbewerber Vattenfall Europe und EnBW bringen es zusammen auf mehr als 20 Prozent Anteil am Erzeugungsmarkt. Den Rest der Kraftwerke teilen sich die zahlenmäßig weit überlegenen Stadtwerke und einige Industriebetriebe wie BASF.

Die von Brüssel verordnete Regulierung der Netzentgelte könnte die Eigentümerstrukturen weiter verändern, sagt VKU−Vize Wübbels. Viele Stadtwerke erwarten, dass Chefregulierer Matthias Kurth die eingereichten Kalkulationen um bis zu 30 Prozent kürzen wird. Einige Kommunen denken nun wieder verstärkt an den Verkauf von Anteilen. Da sich die marktbeherrschenden Konzerne nicht mehr beteiligen dürfen, geht der Trend womöglich hin zu Finanzbeteiligungen einige Landesbanken haben bereits Stadtwerkefonds aufgelegt.

Von Cerstin Gammelin