Rede zur Verabschiedung des Haushalts 2006
Sehr geehrter Herr Bürgermeister,
meine sehr geehrten Damen und Herren,
ich frage Sie: Fahren Sie mit Vollgas in eine Nebelwand?
Ich vermute: Sie weisen solches unverantwortliches Handeln mit Abscheu und Entsetzen zurück.
Heute will und wird eine Mehrheit den Haushalt 2006 beschließen, ohne Kenntnis der Finanzmasse, die wir zur Verfügung haben. Bürgermeister, CDU, FDP, Bürgerverein und Grüne wollen die finanzpolitische Geisterfahrt.
Wir Sozialdemokraten wollten den Haushalt im Januar beraten und beschließen, wenn wir präziser wissen, mit welchen Einnahmen wir kalkulieren können.
Gründe liefert u.a. der Vorbericht zur Haushaltssatzung:
Ich zitiere: Aufgrund fehlender Orientierungsdaten 2006 für den Planungszeitraum 2007 bis 2009, des noch nicht eingebrachten Gemeindefinanzierungsgesetz 2006 (GFG 2006), die erst im Jahre 2006 vorgesehene Anpassung des neuen Verteilungsschlüssels für die Ermittlung des Gemeindeanteils an der Einkommensteuer für die Jahre 2006 bis 2008 und die zur Zeit internen Diskussionen über weitere Konsolidierungsmaßnahmen kann für den Entwurf des Haushaltsbuchs 2006 keine Finanzplanung erstellt werden.
Dies ist ein auch eingeräumter klarer Verstoß gegen die Gemeindeordnung (§ 83 GO).
Sie, Herr Bürgermeister, haben dann einen Finanzplan zum HFA nachgereicht. Sein Motto: Wir wissen nichts Genaues, wir vermuten, dass die Ausgaben größer als die Einnahmen sind, also müssen zum Haushaltsausgleich Ausgabenkürzungen von ca. 1,5 Mio. p.a. erzielt werden.
(Dies ist in etwa die Summe, die Sie, Herr Bürgermeister, zugesagt haben an Einsparungen, wenn denn der Rat neue Stellen bei Einführung des Immobilienmanagements beschließt.)
Klarer kann man eine finanzpolitische Geisterfahrt nicht beschreiben. Wir wissen nichts über die Kreisumlage (der Kreis verabschiedet seinen Haushalt im April), wir wissen nichts über die Umlage des Landschaftsverbandes.
Nichts Genaues wissen wir, aber der Haushalt muss um jeden Preis verabschiedet werden.
Schaut man sich den Haushaltsentwurf an, kommt man ins Staunen. 95.000 will die Verwaltung für Bürobedarf ausgeben. Das sind ca. 400 pro Arbeitstag. Befragt man den Dresbach – Dresbach ist die Haushaltsbibel -, so erfährt man folgende Zuordnung: Bürobedarf: Herstellung von Formularen, Vervielfältigungen und Drucksachen für den Verwaltungsbedarf, Schreib- und Zeichenmaterial, Ausstattungs-gegenstände für den Bürobetrieb wie Lineale, Locher, Stempel, Scheren, Heftgeräte etc. 95.000 oder ca. 400 pro Arbeitstag für Schreibmaterial, Locher und Scheren. Da kann ich nur sagen: Uns geht es golden.
Wo, Herr Bürgermeister, sind hier Sparbemühungen? Mangelnde Ausgabendisziplin in der Verwaltung einerseits und andererseits Einführung einer Strafsteuer fürs Ehrenamt. Die Proportionen stimmen nicht. Sie wollen Vereine für die Nutzung schulischer Räume und Turnhallen zahlen lassen und etwa 20.000 jährlich einnehmen. Die Nachfragen aus der Politik zu dieser Gebührenordnung haben gezeigt: Sicher ist nur eines, Kosten und Bürokratie werden vermehrt, inwieweit das Vereinsleben verkümmert, wird sich zeigen.
Wenn man bedenkt, dass die Verwaltung jährlich 53.000 für Bücher und Zeitschriften ausgeben will, dann kann das Urteil nur lauten:
Strikte Ausgabendisziplin bei der Verwaltung, bevor Strafsteuern fürs Ehrenamt vorgeschlagen werden.
Übrigens: auf den Tag runtergerechnet, will die Verwaltung 220 pro Arbeitstag für Bücher und Zeitschriften ausgeben.
Herr Bürgermeister, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich frage Sie: Wissen Sie, wie hoch der Anschaffungsetat der Bibliothek ist? Wissen Sie, wie viel Euro die Bibliothek für Zeitschriften, Bücher, Medien ausgeben kann im Jahre 2006 nach dem vorliegenden Haushaltsentwurf?
Ich erinnere, 53.000 will die Verwaltung für Zeitschriften und Bücher in ihren Büros ausgeben. Und die Bibliothek: Sie werden es kaum glauben, aber es steht so im Haushalt: Ebenfalls 53.000 .
Ich sage: Die Proportionen stimmen nicht.
Aber mit den beiden Zahlen kommen wir sicher ins Guiness-Buch der Rekorde.
Nach dem Motto "Wissen macht befangen, Nichts wissen macht nichts" haben CDU/FDP und Bürger-verein eine Lesegebühr für Kinder und Jugendliche beschlossen. Sie scheinen tatsächlich nicht zu wis-sen, dass die Lesekultur seit Jahren zurückgeht, dass selbst die Qualitätszeitungen in wirtschaftlichen Schwierigkeiten waren, z.T. noch sind und Redakteure in großer Zahl freigesetzt haben. Haushalterisch sind die erwarteten Einnahmen absolut unerheblich. Ich hoffe sehr, dass wir diese Fehlentscheidung rasch korrigieren können, wenn wir alle die wahrscheinlichen Konsequenzen in der ganzen Tragweite bedacht haben. Schwellenangst und Gebühr sind zwei Hindernisse, die von vielen nicht nur den soge-nannten bildungsfernen Schichten nicht genommen werden. (Wer liest, wer sinnvoll mit Freizeit um-gehen kann, der macht keine Randale.)
Sie scheinen nichts von der Initiative Bildungspartner NRW zu wissen, eine Kooperation des Landes, des Städtetags sowie des Städte- und Gemeindebundes mit dem Ziel: Kinder und Jugendliche sollen mehr und besser lesen können und lernen.
Große Aufregung verursacht die Sportstättennutzungsgebühr. Wir Sozialdemokraten sind mit dem Angebot der Vereine, dem belastbaren, verlässlichen Angebot zufrieden. Wir hätten uns allerdings eine Freistellung für Kinder und Jugendliche gewünscht. Wir treten ein für den Konsens, nicht für das Diktat der Gernemächtigen. Wie wollen Sie das Geld eintreiben? Welches Klima schaffen Sie mit Ihrer Haltung?
Nach unserer Vorstellung sollten die Vereine den Unterhalt von Hallen und Plätzen übernehmen, wie dies in Fliesteden, Hilden, Duisburg und anderswo mit Erfolg praktiziert wird. Wir suchen hier eine Lösungs orientierte Antwort.
Es war bisher Konsens, die innerörtlichen Geschäfte zu stützen und zu stärken. Wir alle wissen um die starke Anziehungskraft der Einkaufszentren in Weiden, Hürth, Rommerskirchen und der Stadt Köln. Kaufkraft soll in Pulheim bleiben. Die Steuerkraft der Geschäfte soll erhalten werden. Parkplatzgebüh-ren sind der falsche Weg, sie schwächen die Ortskerne. Wir lehnen dies ab.
Kosten- und Leistungsrechnung ist ja schön und gut, aber wichtiger ist Kostenbewusstsein. Es darf doch nicht sein, dass Mitarbeiter des Bauhofs etwas zu einer Schule transportieren und die Bitte des Hausmeisters, etwas wegzufahren, zurückweisen, da sie hierfür keinen Auftrag hätten. Das heißt: Sie fahren zurück zum Bauhof, am nächsten Tag liegt der Auftrag vor, sie fahren dann wieder zur Schule und fahren genau das weg, das sie am Vortag liegen ließen. Nur der öffentliche Dienst kann so arbeiten. Die Zeche zahlt immer die Bürgerschaft.
Bis jetzt spreche ich von 5- bis 6-stelligen Beträgen. Jetzt komme ich zu den 7-stelligen Beträgen!
Wo sind die zugesagten 1,3 Mio. Einsparungen durch Einführung des Immobilienmanagements. Herr Bürgermeister, Ihre Ansage war klar und unmissverständlich: Wenn der Rat neue Stellen bewilligt, die Verwaltung das Hochbauamt neu organisiert, ein Immobilienmanagement einführt, dann gibt es p.a., also jährlich Einsparungen von 1,3 Mio. .
Meine Frage ist bisher von der Verwaltung nicht beantwortet. Ihre Schreiben sind nicht auskömmlich.
Sie sagen, Sie hätten zusätzliche Kosten vermieden. Wer behauptet, zusätzliche Kosten zu vermeiden, sei sparen, der ist auch hocherfreut, wenn die Ehefrau oder Partnerin, vollbepackt mit Kleidungstüten, erklärt, sie habe 500 gespart. Insgesamt habe sie nur 1.000 ausgegeben, es hätten aber auch 1.500 sein können.
Ich werde weiter fragen:
Wo sind die eingesparten 1,3 Mio. ? Sie haben jetzt jahrelang nach den 1,3 Mio. gesucht und Sie werden weiter suchen müssen. Ich halte es mit dem römischen Senator Cato, ich werde in jeder HFA- und Ratssitzung die Verwaltung fragen, wo die 1,3 Mio. sind. Solange, bis Sie das Geld gefunden oder öffentlich eingestehen, dass Sie sich geirrt haben, dass die Voraussetzungen für die Einführung des Immobilienmanagements falsch waren.
Von der Vermeidung zusätzlicher Kosten kann bei einigen Baumaßnahmen wirklich nicht gesprochen werden.
Beispielhaft sei nur auf die Dachsanierung des Schulzentrums Brauweiler verwiesen.
In der 7. Sitzung des Ausschusses für Liegenschaften und Hochbau am 17. November 2005 legte die Verwaltung den 4. Statusbericht zum Schulzentrum Brauweiler Dachsanierung vor. Dieser Statusbericht vom 27.10.2005 informiert darüber, dass die Maßnahme nicht im Kostenrahmen liegt. Als Gründe für nicht ausgeschlossene Kostenüberschreitungen werden unerwartete Erschwernisse am Bau angeführt:
Instandsetzung der Dachentwässerungsleitungen
Mehrmassen bei Dachabbruch
Mehraufwand wegen größerer Rohbau-Ungenauigkeiten.
In der Erklärung der Verwaltung in der 4. Sitzung des LHA am 12.5.2005 werden die Gesamtkosten einschließlich Honorar mit 550.000 als bestätigt versichert.
Nun bin ich baulicher Laie, aber nach allgemeiner Lebenserfahrung verändern sich in 6 Monaten weder die Dachentwässerungsleitung von selbst, noch verfallen Dachmassen in eine eigene Dynamik, welche zur Vermehrung führt, noch werden Rohbauanteile ungenauer.
Die Begründungen für die unerwarteten Kostensteigerungen sind eine vornehme Umschreibung für verantwortungslosen Umgang mit Baukostenprognosen.
Wir wollen heute das Rechnungsprüfungsamt beauftragen, eine Sonderprüfung der Baumaßnahme Brauweiler durchzuführen.
Wir wissen, die Haushaltslage ist schwierig, aber erzählen Sie doch nicht immer, es sind nur die Anderen (Bund, Land, Kreis), die haben auch Anteil, aber Hunderttausende von Euro haben CDU, FDP, Bür-gerverein und Grüne sinnlos verballert und vergeudet. Das europaweite Bieterverfahren zur Privatisie-rung der Abwasserbeseitigung ist viel zu spät aufgegeben worden. Sie hätten viel früher die Position der SPD übernehmen können. Die CDU-Fraktion war bis zuletzt nicht zur Einsicht zu bringen.
Reden wir über 6 Mio. , Sie merken, ich steigere mich. Präzise über 6.023.258 Gewinn für die Stadt Pulheim.
Reden wir mal über richtiges Geld und reden wir über die Zukunftsfähigkeit von Pulheim. Wer hat da-mals Nein gesagt zu 6 Mio. Gewinn für die Stadt und will heute die Strafsteuer fürs Ehrenamt, die Leseverhinderungsgebühr für Kinder und Jugendliche und die Parkgebühr beschließen?
Zu 6 Mio. Gewinn für Pulheim haben nicht Ja gesagt die FDP, der Bürgerverein und die Grünen. Als es um die Zukunftsfähigkeit Pulheims ging, waren FDP, Bürgerverein und Grüne in den Büschen und haben sich Gedanken über die Rigolenentwässerung gemacht.
Heute sind sie z.T. an der Spitze der Strafsteuer- und Verhinderungsgebühreneinführungen. Heute wol-len sie die Bürgerschaft abkassieren.
Wir haben dem Bebauungsplan Edelsteinviertel zu einer Mehrheit verholfen, als nach monatelanger Be-ratung außer der CDU-Fraktion alle sich vor der Verantwortung gedrückt haben. Gewinn für die Stadt: 6.023.288 .
Herr Bürgermeister, meine Damen und Herren des Rates, ich sage all denen, die gleich freudig erregt dem Haushalt zustimmen: Die Proportionen stimmen nicht.
Die SPD lehnt diesen Haushalt ab!
Dennoch: Persönlich wünsche ich Ihnen, meine Damen und Herren, alles Gute für 2006. Mehren Sie Ihr Wissen.
Die Rede von Rolf Uebach können Sie sich im Original als pdf-Datei herunterladen.
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